Kuressaare – Für Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung gibt es eine Vielzahl von Entwicklungs- und Bildungsmöglichkeiten in Estland. Für erwachsene Menschen sei dies jedoch völlig anders. Deren Versorgung und Entlastung würden in aller Regel voll zu Lasten der Familien gehen. „Das schafft Probleme“, stellt Pastorin Tiina Ool (52) von der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Kuressaare auf der Insel Saaremaa fest.
Dies sei auch der Grund, warum im Bereich der Gemeinde Kohila ein neues Projekt zur Betreuung von erwachsenen Menschen mit geistiger Behinderung noch in diesem Jahr mit Unterstützung der „Aktion Mensch“ und dem Diakonischen Werk Schleswig-Holstein umgesetzt werden soll. Kohila, eine kleine Stadt mit knapp 7.000 Einwohnern, liegt rund 30 km südlich von Estlands Metropole Tallinn mitten im Binnenland.
Tiina Ool ist zwar Pastorin auf der Insel Saaremaa, in weiterer Funktion jedoch im Rahmen der Diakonie für die Betreuung von Menschen mit Behinderung in der gesamten nördlichen Balten-Republik zuständig. Zusammen mit ihrer Kollegin Kadri Kesküla aus Tallinn reist sie in der kommenden Woche zum Diakonischen Werk Schleswig-Holstein, um dort die Projekt-Anträge einbringen zu können.
„Wir würden das neue Tageszentrum in Katikodu gerne schon im Herbst eröffnen“, so Tiina Ool. Katikodu liegt direkt bei Kohila und dort existiert bereits ein Sozialgebäude in kommunaler Hand. „Dies muss entsprechend erweitert und ausgestattet werden, so dass wir dort täglich 20 Menschen mit geistiger Behinderung betreuen können.“
Tatsächlich würde dies eine enorme Entlastung für die betroffenen Familien bedeuten. Zum einen ist die Versorgung von geistig behinderten Menschen hoch anspruchsvoll und belastend, und zum anderen stehen die Familien häufig auch vor finanziellen Problemen in diesem Zusammenhang. „Die estnische Regierung müsste viel mehr in diesem Zusammenhang leisten“, erklärt die Pastorin.
Das neue Zentrum soll vier Tage die Woche geöffnet sein und für die Gäste ein kreatives und anspruchsvolles Umfeld bilden. „Wir wollen dort handwerkliche, aber auch kognitive Fähigkeiten entwickeln“, sagt Tiina Ool, die genau weiß, wovon sie spricht. Die Pastorin ist selbst Mutter einer erwachsenen Tochter, die an Autismus erkrankt ist.
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