Was für ein prächtiger Tag! Zur feierlichen Eröffnung des neuen diakonischen Zentrums der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Litauen, einer Partnerkirche der Nordkirche, kamen über 100 Gäste von nah und fern. Die weiteste Anreise hatte dabei die Delegation aus den Vereinigten Staaten.

Petrus meinte es sehr gut mit der Festgemeinde, als sich alle Gottesdienstbesucher vor dem diakonischen Zentrum in Garliava, einem Vorort der Großstadt Kaunas, einfanden. Die Pastoren der Litauischen Kirche trugen das Altarinventar, Chefbauer Arunas Zukauskas läutete die Glocke, der Grundschüler Faustas Duoba spielte Trompete, Bischof Mindaugas Sabutis klopfte mit seinem Bischofsstab gegen die Türe und bat so um Einlass. Dieser wurde ihm und der gesamten Festgemeinde natürlich gewährt. Feierlich zogen alle Gottesdienstbesucher ein und nahmen Platz, das Altarkreuz wurde mittig auf dem Altar gestellt, Organistin Evelina Tamošaitytė und die Violinistin Beate Klemens spielten anfangs das Te Deum Prelude von Marc-Antoine Charpentier. So wurde die Orgel, welche aus Trier gestiftet wurde, feierlich eingeweiht. Nun konnte der Gottesdienst beginnen, der auf Litauisch und auf Deutsch gehalten wurde und ganze drei Stunden dauerte.

Bischof Mindaugas Sabutis und Pastor Mindaugas Kairys während des Gottesdienstes.

Bischof Mindaugas Sabutis ging in seiner Predigt auf die ursprüngliche Situation des Grundstückes ein: Dort gab es eine Kirche ohne Gemeinde und ein verfallenes Haus. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass hier einmal wieder christliches Leben möglich sein wird. Doch mit Christus, so der Bischof, sei es möglich, Neues zu erschaffen. Es seien nicht allein die Menschen, die das Haus gebaut haben, es sei vor allem Christus, der als Baumeister wirkt.

Im Anschluss an seine Predigt dankte der Bischof Pastor Mindaugas Kairys aus Jurbarkas, der hier in seiner Rolle als Landesleiter der lutherischen Diakonie Litauens federführend das Projekt betreut. Ohne dessen unermüdlichen Einsatz hätten sich sowohl die gesamte Landesdiakonie, als auch das diakonische Zentrum in Garliava, nicht so weit entwickeln können. Ebenso freute er sich über die anwesenden drei Pastoren der Nachbargemeinden, die dem Gottesdienst bewohnten. Mit einem Augenzwinkern fügte er aber hinzu, dass das Datum der Eröffnung unglücklich lag: Der 18.8.2018 sei ein sehr beliebtes Datum für Hochzeiten und Taufen gewesen. Hinzu kam noch, dass dieses einprägsame Datum auf einen Samstag fiel. Und so kam es, dass nur drei Amtsbrüder erschienen – die anderen hatten schlichtweg einen Heirats- und Taufmarathon zu bewerkstelligen, was sich auch in der kirchlichen Statistik niederschlägt.

Der Predigt und den Danksagungen des Bischofs folgte Pastor Mindaugas Kairys mit einem umfassenden Rückblick des bisher Geleisteten. So machte er deutlich, wie diakonisches Denken auch in die Tat umgesetzt werden kann: „Aber auch mit materiellen Dingen können wir weiterhelfen, wenn wir Hungrige satt machen oder an Bedürftige warme Winterkleidung verteilen.

Der freie Waren- und Arbeitsmarkt ist Fluch und Segen zugleich. Weil es in anderen europäischen Staaten bessere Möglichkeiten gibt, gutes Geld zu verdienen, verlassen viele Menschen unser Land. Oft bleiben die Kinder zurück, die dann von Großeltern oder Nachbarn aufgezogen werden. Hierfür hat sich ein eigener Begriff eingebürgert: wir sprechen von „Eurowaisen“. Auch viele ältere Menschen haben es schwer, über die Runden zu kommen. Die Mindestrente in Litauen beträgt nur 200 Euro im Monat. “

Feierlicher Gottesdienst zur Einweihung.

Für Pastor Mindaugas Kairys gehören Diakonie und Gemeindeleben untrennbar zusammen: „Wer diakonisch tätig ist und dem Nächsten hilft, der übernimmt die wichtigste Aufgabe in unserer Kirche.“ Neben Bischof Sabutis und Pastor Kairys kamen auch die vielen Delegationen der internationalen Partner zu Wort. Die weiteste Anreise hatten Pastor James Krikava und Diakonisse Grace Rao von der US-amerikanischen Lutheran Church – Missouri Synod (LCMS). Tatsächlich war es auch das erste Mal, dass ein Projekt gemeinsam von der Missouri-Synode und den Partnern aus dem Lutherischen Weltbund unterstützt wurde. Die größten Geldgeber hierbei waren die Missouri-Synode und die Nordkirche.

Zuletzt kamen die geladenen Gäste zu Wort. Für die LCMS sprach Pastor James Krikava, für das Zentrum für Mission und Ökumene (ZMÖ) der Nordkirche die Europareferentin Pastorin Christa Hunzinger aus Hamburg, für die Zweiggruppe Schleswig-Holstein und Hamburg des Gustav-Adolf-Werkes (GAW) Pastor Uwe Haberland, für den Martin-Luther-Bund (MLB) der Generalsekretär Pastor Michael Hübner; die Synodale Friederike Miketic sprach für die Lutherische Klasse der Lippischen Landeskirche, Bernd Hannemann für das Diakonische Werk Schleswig-Holstein mit Sitz in Rendsburg.

Pastorin Christa Hunzinger sagte: „Auch für uns in der Nordkirche ist die Eröffnung vom Diakoniezentrum in Garliava ein großes Zeichen der Hoffnung. Ich bewundere, wie es ihnen in der Lutherischen Kirche in Litauen immer wieder gelingt, aus alten, maroden Gebäuden Neues zu schaffen und an Orten wie diesen als Kirche präsent zu sein und Menschen, die in Not sind, zu dienen.“

Kirchenmusik-Direktorin Laura Matuzaite-Kairiene und Pastorin Christa Hunzinger.

Pastor Uwe Haberland, emeritierter Pastor einer volkskirchlichen Gemeinde aus Holstein, sprach: „Ihr seid von der Zahl her ja eine ganz kleine Kirche. Aber aufgrund Eurer Wortverkündigung, Eurer musikalischen Verkündigung und eurer reichen diakonische Arbeit werdet ihr weit über die Grenzen Eurer Kirche hinaus nicht nur wahrgenommen, sondern auch sehr bewundert. Diese kleine Kirche bewirkt Großes.“

Ebenfalls anwesend war eine Delegation der Kirchengemeinde Kiel-Mettenhof, die mit der Kirchengemeinde Jurbarkas seit zwölf Jahren eng verbunden ist. Es war schön zu sehen, wie sehr die persönlichen Freundschaften im Mittelpunkt stehen: Fünf Vertreter aus Kiel machten sich auf den Weg nach Garliava, auch wenn die Partnerschaft ja nur zur Kirchengemeinde Jurbarkas besteht und nicht zur Diakonie in Garliava.

Rosemarie Wiele aus Kiel sagte über die Beziehungen nach Litauen: „Die Partnerschaft ist eine große Bereicherung für beide Gemeinden. Besonders beeindruckend ist immer wieder zu sehen, wie die Litauer ihren Glauben leben und selbst aktiv sind, um ihre Kirche zu bauen. Sie bekommen materielle Hilfe, aber sie schaffen vieles aus eigener Kraft, sowohl in der Gemeinde Jurbarkas als auch auf diakonischem Gebiet.“

Als Zeichen der Verbundenheit der Diakonien in den baltischen Ländern war auch Sigita Dislere, die Leiterin der Diakonie in Riga, Lettland, anwesend.

Gäste (von links): Stiftungs-Vorstand Bernd Hannemann, Pastorin Christa Hunzinger und Pastor Uwe Haberland

Übersetzt (Deutsch-Litauisch, Litauisch-Deutsch) wurde der Gottesdienst von Pfarrer Frank Erichsmeier aus Lippe, der zwei Jahre lang in Litauen gelebt hat und seinerzeit Neues Testament an der Theologischen Fakultät in Klaipeda (Memel) unterrichtete. Musikalisch wurde der Gottesdienst ausgeschmückt von einem Ensemble, bestehend aus vier jungen Musikern des Gemeindebezirks in Garliava, mit den Stücken „Tėve mūsų” (zu Deutsch: „Vater Unser”) und „Paliesk mano sielą“ (zu Deutsch: „Berühre meine Seele“).

Die Eröffnung der diakonischen Station in Garliava ist ein entscheidender Baustein in einer ganzen Reihe von diakonischen Maßnahmen im Memelgebiet. So gibt es etwa seit einigen Jahren ein Beratungszentrum in Klaipeda und eine Wohneinrichtung für suchtkranke Männer namens „Gabrielius“. Diese können in einem alten Pfarrhaus auf dem Land eigenverantwortlich leben und werden dort adäquat medizinisch und therapeutisch betreut.  Nach anderthalb Jahren endet die Zeit im diakonischen Projekt „Gabrielius“. Gewiss ist es für die Klienten nicht leicht, selbständig wieder Fuß auf dem Arbeitsmarkt zu fassen. Und genau an diesem Punkt setzt das neue diakonische Zentrum in Garliava an: Wer „Gabrielius“ erfolgreich beendet hat, kann in diesem Vorort von Kaunas im diakonischen Haus leben (insgesamt stehen zwölf Betten in sechs Zimmern zur Verfügung), wird hier bei Bedarf weiterhin diakonisch betreut und bekommt Unterstützung bei der Rückkehr auf den Arbeitsmarkt.

Die Festgesellschaft vor dem neuen Gebäude.

Nicht unerwähnt sollen weitere Unterstützer bleiben, die mit Geld- und Sachspenden zum Gelingen des Projektes beigetragen haben. Unter ihnen sind Siegfried Butler und Uwe Schweizer aus Hoyerswerda, die Fliesen, Dämmungsmaterial und  Gipskartonplatten organisiert haben , Karl Böttner und Eugen Habel von Entschieden für Christus (EC), die Dachziegel und Putz zur Verfügung stellten, die Lippische Landeskirche, Kirchen helfen Kirchen (Berlin) von Brot für die Welt, zahllose Gemeindeglieder und auch die Männer von „Gabrielus“, die ebenso tatkräftig anpackten, um auch „ihr“ Haus mitzubauen.

Das neue diakonische Zentrum soll auch dem Gemeindeaufbau dienen. So können hier nicht nur Menschen diakonisch betreut werden, die Küche lädt auch alle weiteren Gemeindeglieder ein, sich hier zu treffen und in der Kapelle werden regelmäßig Gottesdienste gefeiert werden.

Der Gottesdienst zur Einweihung.

Der Gemeinde bleibt die Hoffnung, dass sie hier weiterwachsen kann. Vielleicht wird es sogar in Zukunft möglich sein, die alte Kirche von 1870 neu einzuweihen, die derzeit ungenutzt bleibt und sich auf dem selben Grundstück gegenüber befindet. Sie ist schwer renovierungsbedürftig, allerdings ist das Dach neu gedeckt, um weiteren Schaden zu vermeiden. Die Kirche ist derzeit im privaten Besitz.

Pastor Mindaugas Kairys ist zuzustimmen, dass Gemeinde und Diakonie nicht voneinander zu trennen sind, sondern eng zusammengehören. In Garliava wurde deutlich, wie rege und aktiv eine kleine Diasporakirche doch sein kann. Moritz Keppel