Im Februar empfingen die Diakonischen Werke Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern drei Asylberater der rumänischen Partnerorganisation Aidrom (Asociata Ecumenica A Bisericilor Din Romania). Im Vordergrund des Treffens stand der fachliche Austausch zum Thema Asyl und Asylverfahren in Deutschland und Rumänien. Initiiert wurde der Besuch über das Kompetenznetzwerk „Gemeinsam für Menschen“, in dem europaweit Diakonien vernetzt sind. Die Idee für eine Rundreise zum Thema Asyl entstand auf der transnationalen Dialogkonferenz zum Thema Migration, die im September 2018 in Bukarest stattfand.

Flavius Iloni, Silvia Deanconu und Inken Jessen arbeiten als Berater bzw. Beraterinnen für Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge bei Aidrom in Rumänien. In Bukarest und Timisoara beraten sie geflüchtete Menschen hinsichtlich des Asylverfahrens und Integrationsmöglichkeiten in Rumänien. „Wir beraten viele Flüchtlinge, die von Rumänien nach Deutschland wollen. Sie hören von Freunden, dass es in Deutschland besser ist“, schilderten Flavius Iloni, Silvia Deanconu und Inken Jessen die Motivation zu dieser Reise. „Wir freuen uns, dass wir uns die einzelnen Verfahrenspunkte ansehen können, damit wir auch die Fragen der Geflüchteten besser beantworten können. Es ist wichtig die Umstände vor Ort zu kennen, um einen tatsächlichen Eindruck vermitteln zu können.“

Fünf Tage lang begleiteten Vertreterinnen der Diakonie aus Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern  die rumänischen Gäste zu unterschiedlichen Stationen, die verschiedene Abschnitte des Asylverfahrens in Deutschland repräsentieren.

Hamburg

In Hamburg gab die kirchliche Beratungsstelle Fluchtpunkt einen Überblick über das Asylverfahren in Deutschland. Danach gab es Besuche bei dem Theaterprojekt Hajusom, dem Projekt „Alten Schule Niendorf“ und der Ombudsfrau für Flüchtlinge in Hamburg.

Silvia Deanconu

Der Besuch bei Hajusmo diente der Vernetzung von Kunst- und Theaterprojekten in Hamburg und Timişoara. Hier wie dort kommen über Musik, Performance und Theater Menschen mit und ohne Fluchterfahrung zusammen, entwickeln Stücke und Geschichten und kommen darüber mit dem Publikum ihrer jeweiligen Städte in Gespräch. Flavius Ilioni: „Es ist toll zu sehen, wie über Musik und Kunst Menschen zusammenfinden – und wir planen dies auch im Rahmen von vielfältigen Auftritten im Rahmen der Kulturwochen 2020 in Timişoara zu zeigen. Vielleicht auch in Zusammenarbeit mit Projekten aus Hamburg!“

Der Besuch bei der Ombudsfrau für Flüchtlinge, Annegrete Stoltenberg, gab einen Einblick in Alltagsprobleme, aber auch in strukturelle Herausforderungen, allem voran das Thema Wohnen – denn die Möglichkeiten hier von den Unterkünften in eigenen Wohnraum zu kommen sind sehr eingeschränkt und stellen die Betroffenen wie auch Berater vor große Herausforderungen. Eine Stelle zu haben, die die Unterschiedlichen Perspektiven anhört und sich für Lösungen einsetzt, auf individueller aber auch auf struktureller Ebene- das fanden die Besucher aus Rumänien spannend und ein Konzept, was auch für Rumänien sinnvoll sein könnte.

Im Nachbarschafts- und Stadteilprojekt „Alte Schule“ lernten die Kollegen ehrenamtliche Projekte von Nachbarschafts-Cafe über Kunstprojekte und Nachmittagsangebote für Eltern und Kinder von und mit Ehren- und Hauptamtlichen kennen. Ein Thema, was zu intensivem Austausch führte war Angebote für Kinder und Hilfen zur Erziehung für Eltern: Wie kommt man darüber ins Gespräch? Wie kann man Eltern stärken, ihre Kinder bei der Integration in Schule und Gesellschaft zu unterstützen?

Silvia Deaconu: „Es ist ermutigend zu sehen mit welch ähnlichen Ansätzen wir arbeiten! Der Austausch hat mich in meiner Arbeit bestätigt und mir neue Ideen gegeben.“

Mecklenburg-Vorpommern

In Mecklenburg-Vorpommern besuchten die Gäste die Landeserstaufnahmeeinrichtung (EAE) Nostorf-Horst, wo Asylsuchende aus Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg untergebracht sind. Geflüchtete, die aus Rumänien weiterwandern, sind bundesweit in solchen Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Sie dürfen im sogenannten Dublin-Verfahren in Deutschland zunächst ihre Fluchtgründe nicht vorbringen. Das zuständige Landesamt für innere Verwaltung und die Betreibergesellschaft Malteser Werke gGmbH beantworteten Fragen zur Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten. Ihrerseits berichteten die rumänischen Berater und Beraterinnen, dass 2018 in ganz Rumänien etwa 3.000 Geflüchtete aufgenommen worden sind. Dies entspricht etwa der Anzahl der Geflüchteten in Mecklenburg-Vorpommern im selben Zeitraum. Nach einem Rundgang über das Gelände in Nostorf-Horst zeigten sich die Gäste beeindruckt von der stringenten Organisation vieler Lebensbereiche. Gleichzeitig fiel auf, dass es wenig Raum für die individuelle Tagesgestaltung gibt.

Die Gruppe unterwegs

Im Anschluss besuchten Iloni, Deanconu und Jessen die Petrusgemeinde in Schwerin. Sie wurden dort von Landespastor Paul Philipps begrüßt und erhielten einen Überblick über das Kirchenasyl. Im Gespräch mit Ehrenamtlichen aus der Gemeinde, die Geflüchtete im Kirchenasyl begleiten oder als Deutschlehrer aktiv sind, erhielten sie Einblick in Abläufe und Unterstützungsformen. In Rumänien gebe es so etwas nicht und man könne es in dieser Form auch nicht anwenden, da die meisten Geflüchteten nicht in Rumänien bleiben wollen.

Unsere Partner in Rumänien

„Allerdings wäre es schön, wenn sich mehr Gemeinden so engagieren würden“, so Iloni. „Anerkannte Flüchtlinge, die Rumänien länger als drei Monate verlassen, haben zum Beispiel keinerlei Anspruch auf staatliche Unterstützung mehr. Wenn sie zurückkommen, landen sie auf der Straße. Das kann auch Familien mit Kindern betreffen. Es ist schrecklich für uns das zu beobachten.“

Das nächste Reiseziel waren zwei Projekte in Rostock: Die Unterkunft für Asylsuchende von Ökohaus sowie „Ankommen und Bleiben“ und „At home in Rostock“ der Rostocker Stadtmission. Dort erfuhren sie, dass es in den Gemeinschaftsunterkünften in Rostock beispielweise eine hohe Überbelegungsquote gebe, da viele Geflüchtete aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes und Vorbehalten keine Wohnungen finden.

Bei der Rostocker Stadtmission schilderten die Beraterinnen, wie sie im Projekt „Ankommen und Bleiben“ dezentral untergebrachte Geflüchtete beraten und in Alltagsfragen unterstützen. So füllen sie mit ihnen Anträge aus und bieten Freizeitangebote: Einen Frauen- und einen Männertreff, ehrenamtlich betreute Deutschkurse und Informationsveranstaltungen. Im Projekt “At Home in Rostock“ vermitteln sie Kontakt zu deutschen Patinnen und Paten. Ein reger Austausch entstand über die Frage, mit welchen Events und Methoden sich Barrieren zwischen Alteingesessenen und Neuzugezogenen abbauen lassen. Von interkulturellen Festen bis hin zu Kennenlernspielen wurden verschiedene Ideen ausgetauscht.

Zum Abschluss der Reise besuchten die Gäste die Stele zum Gedenken an das rassistische Pogrom in Rostock-Lichtenhagen 1992. Einen geschichtlichen Überblick verschaffte ein Vertreter des Lichtenhagen-Archivs von Soziale Bildung. Zu jener Zeit suchten in der „ZAST“ (Zentrale Erstaufnahmestelle) hauptsächlich Menschen aus Rumänien Asyl. Rumänien wurde wenig später als eines der ersten Länder zum sogenannten „sicheren Herkunftsland“ erklärt. Infolge des Pogroms wurde die ZAST nach Nostorf-Horst verlegt, wo auch heute noch Asylsuchende in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht sind.

Der Erfahrungsaustausch mit den rumänischen Kollegen und Kolleginnen war für alle Beteiligten sehr bereichernd. Weitere Kooperationen werden im Kompetenznetzwerk „Gemeinsam für Menschen“ ausgebaut. Julia Reichart

Dokumentation der Partner

  • Information auf Englisch:  Wenn Sie mehr wissen möchten – hier finden Sie die den Bericht unserer Partner von AidRom  Silvia Deaconu und Flavius Ilioni über ihren Besuch in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern auf Englisch
  • Information in English: find out more about the trip of the AidRom colleagues  Silvia Deaconu and Flavius Ilioni from  in English