Fachveranstaltung: NGOs diskutieren mit Regierung, ILO, IOM und UNHCR

Über die Konferenz hinaus präsentierte sich das „Dialog-Forum“ mit seinen Partnerorganisationen bei einer öffentlichen Veranstaltung in Bukarest einem größeren Fachpublikum. Die Kolleginnen und Kollegen der rumänischen NGOs hatten dieses Treffen intensiv vorbereitet und konnte viele wichtige Organisationen für die Teilnahme gewinnen. Die rumänische Behörde zur Bekämpfung von Arbeitsausbeutung und Menschenhandel (ANTIP) stellte dafür ihre Räumlichkeiten im Zentrum Bukarests zur Verfügung und wurde auf der Veranstaltung durch Projektleiter Marius Burcor vertreten. Für das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) kam Flavia Jerca zur Veranstaltung. Es nahmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Regierungsstellen, von weiteren NGOs sowie von der Internationalen Organisation für Migration (IOM), der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), der rumänischen Polizei und auch Studierende der sozialen Arbeit an der Veranstaltung teil. Viele der rund 65 Zuhörerinnen und Zuhörer nutzten im Anschluss an die Vorträge die Gelegenheit für Fragen und kurze Statements. Es wurde deutlich, was für ein enormer Verlust die Abwanderung für die Herkunftsländer bedeutet. Sie verlieren Bürgerinnen und Bürger, die für die gesellschaftliche Entwicklung wichtig wären. Kinder bleiben ohne Eltern zurück, Familien werden zerrissen. Das berichteten Teilnehmende aus Rumänien, Polen und dem Baltikum ganz ähnlich.

Zu Besuch im rumänischen Innenministerium

NGOs: Geballte Expertise für Menschen in Not

Die Referenten gaben mit Fakten und Zahlen einen Überblick über die Problemlagen in Europa. Welche Bevölkerungsgruppen sind besonders von Armut betroffen? Stellt Migration für Menschen, die in Armut leben, eine Lösung dar? Die Diskussion kam hier zu einem gemischten Ergebnis, denn mit der Migration sind hohe Risiken verbunden. Und die soziale Lage in einem europäischen Land kann nicht mehr losgelöst vom Rest der EU gesehen werden. Armut in den Herkunftsländern einerseits und die Nachfrage nach Arbeitskräften in den Zielländern hängen unmittelbar zusammen.

Das Team des Diakonischen Werks Mecklenburg-Vorpommern: Julia Reichert (links) und Tatjana Stein

Die neun Nicht-Regierungs-Organisationen der Bukarester Konferenz kamen mehrheitlich aus Ost- und Südosteuropa und bis auf Russland aus EU-Staaten. Nur wenige können ihre Arbeit aus staatlichen Mitteln refinanzieren, die meisten sind überwiegend auf Spenden, Projektgelder, Freiwilligenengagement und Fundraising angewiesen. Sie arbeiten in so unterschiedlichen Bereichen wie Obdachlosenhilfe, Sozialberatung, Hilfe für Menschen mit Behinderung, Resozialisation, Alten- und Flüchtlingshilfe. Einige schickten ihr Leitungspersonal nach Bukarest, andere Fachkräfte, die direkt mit den Klienten arbeiten – diese Zusammensetzung war förderlich für die Diskussionen.

Bereits bei der ersten Zusammenkunft 2017 im litauischen Klaipeda zum Thema „Sucht“ hatte sich gezeigt, wie sinnvoll das Knüpfen internationaler Netzwerke so unterschiedlicher Organisationen ist. Diesmal untersuchte das „Dialog-Forum“ auch ihre Bedeutung für Europa: Was wäre Europa ohne NGOs? Was tut Europa für sie? Wie können sie sich noch mehr Gehör verschaffen? Zweifellos nur im Zusammenschluss, in internationalen Netzwerken.

Fundraising: Ressourcen für soziale Projekte

Die meisten NGOs müssen sich selbst um die Ressourcen für ihre Arbeit kümmern. Ein Teil von ihnen wirbt auch EU-Mittel ein. Aber die EU-Förderpolitik ist komplex und sehr bürokratisch, die Hürden für Fördergelder hängen hoch. Für alle NGOs ist deshalb Fundraising ein wichtiges Thema, wobei sich die wenigsten NGOs eigene Fundraiser leisten können. Oft müssen sich die Leitungskräfte dieses Fachwissen zusätzlich aneignen. Das griff das Dialog-Forum auf. Bereits vor der Konferenz vertieften die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in zwei Webinaren mit dem Hamburger Fundraising-Experten Tom Neukirchen ihr Wissen. In Bukarest arbeitete er mit ihnen weiter am Thema. Mit welchen Botschaften erreicht man die Spender? Ob Ost oder West, ob kleine Organisation oder größer: Alle kennen die Herausforderung, mit einfachen Mitteln Aufmerksamkeit auf ihre Projekte zu lenken.

Besonders beeindruckten die Kampagnen von Nochlezhka aus St. Petersburg (www.homeless.ru), einer der ältesten russischen Hilfsorganisationen für Wohnungs- und Obdachlose, die vor allem auf private Spender setzt. Nochlezhka unterstützt seit 1990 Obdachlose mit Essen, Notquartieren, Kleidung, medizinischer Versorgung und Rechtsberatung. Das Nochlezhka-Team finanziert sich größtenteils über private Spenden und Projektanträge. Die NGO bespielt erfolgreich Social-Media-Kanäle, u. a. mit kurzen Videos.

Mit welcher Haltung gehen wir in die Öffentlichkeit? Jede NGO erarbeitete jeweils ihre Vision und ein Mission Statement und sie entwickelten einen neuen Slogan: „Yes, We Care!“ Den wollen sie nutzen, um ihre bereits bestehende gemeinsame Website (Link) weiter auszubauen.

Zwischenbilanz: Das Projekt geht kraftvoll in die zweite Halbzeit

Auf der Konferenz ergaben sich Anknüpfungspunkte für konkrete Zusammenarbeit: Es wurde ein Austausch über zurückbleibende Kinder von Migranten, Programme zur Wiedereingliederung von Menschen in den Arbeitsmarkt sowie gegen Menschenhandel und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse vereinbart. Rumänische Fachkräfte werden sich in Deutschland über die hiesige Flüchtlingshilfe informieren und über die Voraussetzungen für den Zugang zum Hilfesystem. Dies hilft ihnen bei ihrer Arbeit zu Hause. Polnische und russische Organisationen verabredeten sich für wechselseitige Projektbesuche in der Hilfe für Obdachlose. In der Mitte des dreijährigen Projektes angekommen, spürten alle deutlich, wie der Austausch deutlich an Tiefe und Dynamik gewinnt. So ist eine Informations- und Diskussionsplattform entstanden, um Diakonie und soziale Arbeit europäisch und international zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Im Mai 2019 tritt die Dialog-Konferenz erneut zusammen. Im polnischen Breslau diskutieren die NGOs über das Thema „Alter und Pflege“ bevor das dreijährige Projekt im Oktober mit einem Abschlusstreffen in Hamburg endet.